Lerntherapie bei Dyskalkulie

DYSKALKULIE

Ähnlich wie für die Legasthenie gilt auch hier: Die Therapie der Dyskalkulie ist keine Nachhilfe. Einpauken bringt auch hier wenig, um den Anschluss an den Mathematik-Unterricht wieder herzustellen. Das geht nur dadurch, dass ein Verständnis für Zahlen und Mengen und ihre Beziehungen zueinander von der Basis aus neu geschaffen wird. Dass es an diesem Grundverständnis mangelt, belegen die üblichen Fehlleistungen von Dyskalkulie-Kindern.

Fehlleistungen:

Zahlen haben keine Entsprechung in der Vorstellung

  • ähnlich aussehende Ziffern werden verwechselt (6 = 9)
  • Einer/Zehner/Hunderter werden vertauscht
    (20 + 3 = 50 / 12 +34 = 55 / 10 + 10 = 100)
  • Zahlen werden lautgetreu geschrieben
    (dreiundvierzig = 34 / dreihunderteinundvierzig = 300140)
  • dekadische Transfers gelingen nicht
    (1 + 4 = 5 => 21 + 4 = ??)

Mengen entziehen sich der Vorstellung

  • Rechenerleichterungen werden nicht erkannt
    (81 – 79 wird schematisch gerechnet)
  • Größenvergleiche gelingen nicht
    ( 52 < 49)
  • Zahlen werden lautgetreu geschrieben
    (dreiundvierzig = 34 / dreihunderteinundvierzig = 300140)
  • dekadische Transfers gelingen nicht
    (1 + 4 = 5 => 21 + 4 = ??)

Keine Vorstellung von Zahlen bedeutet auch:

keine Abspeicherung von Ergebnissen

  • Das Einmaleins kann nur sehr schwer memoriert werden

Die Grundrechenarten können nur schwer aktiviert werden.

  • Dividieren (verlangt alle Grundrechenarten) gelingt ggf. überhaupt nicht

Der Zusammenhang mit Maßeinheiten kann nicht hergestellt werden

  • Meter –> Zentimeter –> Dezimeter -> Millimeter ??
  • Sach- und Textaufgaben werden nicht verstanden
    (In der 3. Klasse sind 10 Mädchen und 22 Jungs.Wie viele Schüler sind in der Klasse? Antwort: 35)
  • Oft kommt es, wenn überhaupt, zu sinnentstellten Phantasielösungen

Oft kommt es, wenn überhaupt, zu sinnentstellten Phantasielösungen

Da Zahlen und Mengen nicht in der Vorstellung verankert sind, werden minimalistische, ineffektive und falsche Zerlegungsstrategien eingesetzt.

Als häufige Folge zählen betroffene Kinder stur mit den Fingern Typischerweise treten dann Ergebnisse auf, die knapp danebenliegen.

Sehr schnell kommt es zu einer Überforderung der Verarbeitungs- und Merkkapazität (Heute gelernt – morgen vergessen) Der fachspezifisch auftretende Gedächtnisausfall liegt daran, dass den rechenschwachen Kindern keine logische Struktur zur Verfügung steht, sondern nur ein unverstandenes und eingepauktes Sammelsurium von Regeln, Merkhilfen und selbstproduzierten Lösungswegen

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Der therapeutische Ansatz – aufgezeigt am Beispiel der Addition von Brüchen

Nach der Grundschule wird, sobald die Bruchzahlen besprochen sind, die systematische Verbindung der Brüche mit den Grundrechenarten, beginnend mit dem Addieren, eingeübt. Die meisten Mitschüler (zumindest aus Sicht des Dyskalkulie-Kindes) verstehen mehr oder weniger schnell, was es mit der neuen mathematischen Operation so auf sich hat.
Für das rechenschwache Kind allerdings, ohnehin beständig ringend um ein Verständnis von Zahl - und Mengenbegriff, tut sich, oft auch nicht nachvollziehbar für den nachhilfebemühten Erwachsenen, ein Abgrund von Unverständnis auf. Dieses innere Chaos kann das Kind – irritiert und beschämt – unmöglich seiner allwissenden Umwelt offenbaren:

Was ist überhaupt ein Bruch, ein Bruchstrich? Was hat das Ganze überhaupt mit Teilen zu tun? Warum steht der Nenner unten? Warum braucht man einen gemeinsamen Nenner? Warum muss man Brüche überhaupt addieren?

Überprüft werden sollte vorab, ob beim Kind generell ein Problem besteht, Umkehrgedanken nachzuvollziehen. Wenn ja, muss erst einmal so etwas wie Richtungsdenken angebahnt werden.

Ist ein prinzipielles Verständnis für die Existenz von Teilmengen/ Brüchen, z.B. über das Füllen von Gläsern, erreicht, wäre ein weiterer didaktischer Ausgangspunkt, in Anlehnung an die Didaktik im Unterricht, folgender Aufgabentypus:

Drei Leute „teilen“ sich eine Pizza. Der erste nimmst sich eine Hälfte, der zweite ein Drittel - wie viel ist noch übrig für einen dritten Pizzafreund? Ausgehend von dieser lebensnahen Herausforderung wird das Kind nun ermutigt, selber zu hantieren, zu experimentieren und wichtig: kund zu tun, was es gerade denkt und tut.

Nur so kann ein Verständnis dafür angebahnt werden, wie die ungerechte Aufteilung einer Pizza beschreibbar wird, nämlich über die Einführung eines gemeinsamen Nenners, in mathematischer Sprache ausgedrückt: 1/2 + 1/3 => 3/6 + 2/6 = 5/6

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Psychologisch-Heilpädagogische Prämissen

Die gewonnene Verständnisbasis sollte vor jedem Problemlösefall reaktiviert werden. Systematisch muss unterhalb des geforderten Schwierigkeitsgrades der aktuellen Aufgabenstellung angesetzt werden

Erst einmal geht es also nicht um das Einüben von Lösungswegen, sondern um das Begreifen der jeweiligen mathematischen Operation im anschaulichen Erfahren. Dazu ist es notwendig, den subjektiven Regeln des Kindes auf die Spur zu kommen. Verlangt ist ein geduldiges und genaues Zuhören, dem ein Neuaufbau des mathematischen Verständnisses in kleinsten Lernschritten sich anschließt. All dies ist unseres Erachtens nur erreichbar in der Einzeltherapie. Und noch einmal: Einüben ohne Verständnis auf Seiten des Kindes verschärft das Problem.

Man sollte sich immer wieder klar machen: Ein rechenschwaches Kind benötigt wesentlich mehr Energie und Motivation für die Bewältigung seiner Aufgaben als ein Kind mit intaktem Zahlenverständnis. Mit anderen Worten: die Wirkung von schlechten Noten, Ungeduld, Schimpfen ist gravierender als bei einem Kind, das die Mathematik unbehindert erlernt.

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