Lerntherapie bei Legasthenie

(orientiert an dem empfehlenswerten und im Internet abrufbaren Ratgeber Legasthenie der DUDEN-Redaktion, zitiert als DUDEN)

International ist die Legasthenie als „umschriebene Entwicklungsstörung des Lesens und Schreibens“ definiert. Das bedeutet, dass biologische Ursachen das Erlernen von Funktionen beeinträchtigen oder verzögern, die mit der Reifung des zentralen Nervensystems verbunden sind. Die therapeutische Konsequenz wäre folgerichtig eine möglichst kindnahe Nachreifung dieser Entwicklungsverzögerung. Therapeutisch angestrebt wird eine Überwindung der Teilleistunsschwäche. Das darf aber nicht gleichgesetzt werden mit kompletter Heilung:

 

"Auch wenn die neuen Forschungsergebnisse zu Trainingsmöglichkeiten führen, die nicht erst beim Wort, sondern schon in den Verarbeitungskanälen der Wahrnehmung ansetzen, muss nach wie vor betont werden:

Legasthenie ist nicht heilbar.

Alle Hilfen können letztlich nur darauf hinauslaufen, die Voraussetzungen für das Lesen und Schreiben in Teilbereichen zu verbessern. Im Übrigen aber bleibt es dabei, dass den Kindern Wege zur Kompensation ihrer Schwächen angeboten werden müssen.“ (DUDEN S. 16)

Durch fortgesetzte Entmutigung kann die Legasthenie das Erscheinungsbild allgemeinen Schulversagens annehmen. Der ganzheitliche Ansatz, wie ihn die Heilpädagogik fordert, vermittelt dem Kind, dass seine Leistungsschwäche nur ein Bereich seiner Lebenswelt ist.

Der Pädagoge Peter Struck macht hierzu einen anschaulichen Vergleich:

„Rotgrünblinde Kinder sind beim Erdbeerpflücken langsamer, und sie pflücken mehr unreife Früchte als andere, weil sie die reifen von den unreifen und die Früchte von den Blättern nicht so schnell, vor allem aber sowieso allenfalls über das Fühlen unterscheiden können. Sollte man ihnen in einem Fach Erdbeerpflücken deshalb eine schlechte Note geben und sie ständig dazu ermahnen, sich mehr Mühe zu geben?“

Rotgrünblinde Kinder

 

Das Kind macht im heilpädagogischen Setting die Erfahrung, dass es nicht nur eine leistungsorientierte Behandlung erfährt, sondern Raum vorfindet für seine Phantasie und wie auch immer gelagerten Interessen.

 

 

„ Die Forschungsergebnisse bieten nicht zuletzt auch eine Erklärung für die mit der Legasthenie häufig verbundenen besonderen mathematisch-technischen und musischen Begabungen, die wesentlich auf Funktionen der rechten Hirnhälfte zurückgehen. Diese scheint von den Entwicklungshemmungen der linken zu profitieren (...) Legasthenie sollte, wie Linkshändigkeit, nicht als eine Anomalität verstanden werden, sondern als ein Zeichen für besondere Begabungen im nicht-sprachlichen Bereich.“ (DUDEN S. 17)

Deshalb beinhalten unsere Therapie-Einheiten immer auch Elemente, die nicht direkt mit der spezifischen Teilleistungsschwäche im Zusammenhang stehen.

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Die vorschulische Förderung

Bei der vorbeugenden Förderung geht es nicht um ein isoliertes Training für einzelne Sinnesbereiche (Sinnesschulung), sondern darum, im Spielalltag des Kindes die Tätigkeit mit Anforderungen anzureichern, welche die Genauigkeit der Wahrnehmungen fördern und verbessern helfen. Eine spielerische Basisförderung „stabilisiert und automatisiert auch die sprachbezogenen Wahrnehmungen. Unterstützt wird dies, wenn in der Förderung die Einheit von Tätigkeit, positiver Motivation und Sprechen verwirklicht wird.“ (DUDEN 23)

Auffälligkeiten in der Schulzeit

  • Fehler der Wahrnehmungsdurchgliederung (Buchstaben fehlen oder werden hinzugefügt, z.B. Besn statt Besen).
  • Fehler der Wahrnehmungstrennung: Sie betreffen die visuelle Unterscheidung von Buchstabenformen (Kanel statt Kamel) und die auditive Unterscheidung von Lauten (Domate statt Tomate).
  • Fehler der Wahrnehmungsrichtung: Sie haben mit der Leserichtung (Kamle statt Kamel)oder mit Raumlageproblemen zu tun (z.B. Vertauschungen von b-d).
  • Lautgetreue Falschlösungen (Hunt statt Hund): Sie gelten aber als positives Anzeichen für einen gelungenen Anfang im Leselernprozess.

Nicht wenige Schüler mit legasthenen Schwächen sind in der Lage, sich Wortbilder vorübergehend visuell zu merken. Mit viel Übungszeit zuhause werden dann die so genannten „geübten Diktate“ fehlerarm bewältigt, aber nur am Anfang. Bei steigender Anforderung kann das Kind dann nicht mehr mithalten. Es kommen dann zunehmend mehr Fehler auch im geübten Diktat vor. Unter Stress brechen schließlich die mühsam aufgebauten Kompensationen, die Eselsbrücken und Merkhilfen, zusammen.

Die weitere Schul- und Persönlichkeitsentwicklung des Legasthenikers ist nun davon abhängig, wie die Umwelt auf die Legasthenie reagiert. Ohne angemessenen Hilfe droht ein Teufelskreis. Das Kind entwickelt Schulunlust, die rasch auf andere Fächer übergreift. Das Selbstvertrauen schwindet, Minderwertigkeitsgefühle stellen sich ein. Schließlich wird er durch sein Versagen geprägt. Aggressive und depressive Verhaltensweisen bestimmen nun das Erscheinungsbild.

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